Systemisches Coaching für Kinder mit besonderen Fähigkeiten
Wenn wir von Kindern sprechen, die nicht in die Norm passen, dürfen wir uns immer fragen, wer diese Norm festlegt bzw. festgelegt hat. Sind es die Eltern, ist es die Gesellschaft oder sind es sogar Beide. Und was ist mit den kulturellen Bedingungen, den wirtschaftlichen, den politischen und den psychologisch/medizinischen, welche Rolle spielen sie?
Sie alle tragen dazu bei, das festzulegen, was als „normal“ und akzeptabel oder nicht der Norm entsprechend und „verhaltensauffällig“ gilt. Also geht es letztendlich darum, welche Verhaltensweisen von der Gesellschaft und Kultur wann als angemessen und gut eingeordnet werden.
Nehmen wir z.B. das Mittelalter, die Rechte der Frauen und Männer und damit die der Mädchen und Jungen wurden ganz anders gesehen als heute im Artikel 3 Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Art. 3 Absatz 2, Satz 1 GG).
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (Art. 3 Absatz 3 GG).
Und wie wird es in der Zukunft aussehen? Wie werden wir die Rollen der Mädchen und Frauen und die der Jungen und Männer dann definieren? Und würden sich die Rollen eventuell wieder ändern, wenn es Krieg oder sonstige starke Prozesse der Umgestaltung geben würde? Wie sehen die einzelnen Länder, die unterschiedlichen Kontinente die Rolle der Geschlechter?
Und wie wird Begabung definiert? Ist Begabung auch weiterhin etwas messbares, im Intelligenztest feststellbares? Oder finden später auch andere Gaben Einlass, z.B. die Gabe der Intuition, der sog. 7. Sinn, das Erkennen von tieferen Zusammenhängen – ohne das jemand etwas dazu sagt?
Das hängt aus meiner Sicht sehr stark davon ab, wer welche Rolle in der Gesellschaft einnimmt. Wenn wir jemanden in eine Aufgabe wählen, der diese Gaben akzeptiert, wird er andere Aussagen tätigen, als jemand, der nur nach den bisher schriftlich festgehaltenen und messbaren Attributen wertet. So sind wir alle aufgerufen Verantwortung dafür zu übernehmen, wie sich Zukunft gestaltet.
Und wir dürfen die Kinder und Jugendlichen fragen, welche Zukunft sie sich wünschen. Wo und wie wollen sie leben und arbeiten? Für was wollen sie sich einsetzen? Was liegt Ihnen am Herzen und wie sollen/dürfen deren Kinder groß werden? Wie soll/darf Schule dann aussehen und wie Erziehung? Welche Parameter dürfen gelten?
Aus unserer Sicht ist Erziehung und damit auch Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff SGB VIII) immer eng verbunden mit den Stärken und Ressourcen einer Familie und den einzelnen Familienmitgliedern.
Wie messen wir aber Stärken und Ressourcen, wenn ein Kind z.B. sehr hilfsbereit ist, aber in der Klasse auch immer dazwischen ruft und „stört“. Wir können verschiedene Wege gehen.
Zum einen können wir mit den Eltern reden, wir können sie fragen, ob ihr Sohn - nennen wir ihn Klaus – sich zuhause auch so verhält, schlecht still sitzen kann und oft im Mittelpunkt stehen möchte, oder ob er eher umgekehrt still und in sich gekehrt wirkt.
Und wie geht es den Eltern damit, können sie sein Verhalten annehmen oder kritisieren sie ihn oft? Werden seine „Stärken“ ebenso gesehen, wie seine „Schwächen“?
Und Klaus selbst, wie fühlt er sich zuhause und im Klassenverband? Fühlt er sich gehört und akzeptiert, oder sind seine „Auffälligkeiten“ eher darauf zurück zu führen, dass er keinen Raum hat sich zu äußern und das was für ihn wichtig ist zu sagen?
Wir haben mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, wie wir mit dieser Situation umgehen können. Wichtig ist aus unserer Sicht, wie immer, die Familiengeschichte von Klaus anzuschauen und seine Biografie. Eine ausführliche Anamnese (Krankengeschichte), die alle Besonderheiten, Lebensumstände, Familienkonstellation, usw. berücksichtigt halten wir für sehr wichtig. Um arbeiten zu können braucht man ein entsprechendes „Profil“ der Eigenschaften, um den individuellen Bedürfnissen des Kindes gerecht zu werden.
Vielleicht ist ja der Vater von Klaus in der Schule ebenfalls unruhig gewesen, hatte aber sein Herz auf dem richtigen Fleck. Oder es ist seine Mutter, die ihn gelehrt hat achtsam mit Anderen zu sein und denen zu helfen, die sich vielleicht nicht selber helfen können. Wir werden die Antwort nur erfahren, wenn wir die Eltern bitten uns ihre Geschichte und die ihrer Eltern zu erzählen und dafür braucht es Vertrauen, die Kompetenz zuzuhören und Zusammenhänge auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Ich biete hierzu ein Elterncoaching an und parallel dazu einen Termin mit dem Kind, dem Jugendlichen, um den es geht.
Wie nimmt das Kind selbst, Klaus, seine Geschichte wahr? Ab wann fangen seine Erinnerungen an und wie sind sie? Wie hat er äußere Ereignisse, die Antworten seiner Eltern auf Fragen, den Kindergarten, die Schule, das Beisammensein mit anderen Kindern und die Familie selbst wahrgenommen? Sieht er sich selbst als besonderes Kind mit vielen Gaben und Stärken oder denkt er vielleicht sogar, dass er hier nicht hingehört, in diese Familie, diese Klasse, dieses Leben, dass er einfach anders ist? Woher wollen wir wissen, was er braucht um glücklich zu sein, wenn wir ihn nicht fragen?
Kinder haben aus unserer Sicht immer eine Aufgabe. Sie kommen zu ihren Eltern, um von ihnen zu lernen und eigene Gedanken zu entwickeln, Gefühle zu erfahren und sich selbst zu fühlen.
Sie sind nicht frei von ihrer Geschichte mit den Eltern, sind geprägt und doch aufgefordert sich ihr Leben so zu gestalten, wie es sich stimmig für sie anfühlt. Vielleicht wollen sie ja nicht den Beruf ausüben, den der Vater lebt oder eine Familie gründen, wie die Mutter es sich gewünscht hat.
Vielleicht wollen sie etwas Anderes in die Welt bringen? Fragen wir sie einfach und nehmen wir sie ernst in ihren Antworten. Vielleicht sind sie uns einen Schritt vorausgegangen und wir dürfen auch von ihnen lernen.
Von mir angewandte Methoden sind hier insbesondere die Systemische Arbeit mit der Familiengeschichte in Form eines Genogramms und die Biografiearbeit mit unterschiedlichen kreativen und gestalterischen Aspekten.
Im Genogramm arbeiten wir, wenn wir systemisch arbeiten, mit den Stärken und Ressourcen, die sich in der Familiengeschichte zeigen, wobei sich aus unserer Sicht Stärken auch aus schwierigen
Situationen heraus entwickeln können. Wir sind z.B. an einer Aufgabe gewachsen und/oder haben eine Herausforderung gemeistert.
In der Biografiearbeit geht es um den Weg, den jemand in seinem Leben gegangen ist, mit den Höhen und Tiefen, den Stärken und Schwächen, dem Schönen und Traurigem, dem Besonderen und dem, was ihn einzigartig macht. Vielleicht wähle ich eine Form aus der narrativen Erzähltechnik oder wir malen gemeinsam ein Bild „Mit welchen Augen sehe ich die Welt?“ und ordnen dies relevanten Bereichen in der eigenen Geschichte zu.
Immer aber sind es die Worte des Kindes/des Jugendlichen selbst, welche Beachtung und Respekt verdienen und in einen größeren Zusammenhang gesetzt Erkenntnisse und Klarheit bringen.
Auf der Grundlage der vorher genannten Methoden können sich neue Schritte in Richtung von mehr Akzeptanz, Freude und Wohlbefinden ergeben. Veränderungsprozesse können auch langfristig in der Umsetzung begleitet werden.